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LAGERflaeche.de Magazin Feb. 2014 - Thema: Erfolgsfaktoren für die Kontraktlogistik

 

Prof. Dr. Thomas Mühlencoert

Die Kontraktlogistik ist das Segment in der Logistik mit den höchsten Zuwachsraten. Allerdings ist sie ungleich komplexer und durch viele speditionsunübliche Dienstleistungen gekennzeichnet, die durch verkehrsübliche Versicherungen nicht mehr abgedeckt sind. Das Haftungsrisiko steigt.

Oftmals ist Kontraktlogistik gebunden an einen Lagerstandort (fulfillment-Standort) eines Logistikdienstleisters (LDL), der regionale Standort und die Immobilienausstattung sind für die Kunden (Kontraktgeber) daher mitentscheidend bei der Auswahl. Der dritte entscheidende Faktor ist die richtige Gestaltung der Geschäftsbeziehung, die sich vom klassischen Zurufgeschäft der Speditionslogistik unterscheiden sollte und auf die im Weiteren eingegangen wird.

Zunächst ist eine gewissenhafte Ausschreibung notwendig, der Detaillierungsgrad der Ausschreibungsunterlagen sollte in Abhängigkeit der verlangten Abrechnungsbasis gesehen werden: Soll die angebotene Preisstellung völlig oder nahezu variabilisiert sein, d.h. auf Leistungseinheitenbasis erfolgen (Preis pro kommissioniertem Auftrag etc.), müssen die Anforderungen wesentlich genauer spezifiziert werden, als wenn ein cost-plus-Modell erfolgen soll. Auch die Mengen- und Saisonprofile sowie deren Prognosen spielen eine bedeutendere Rolle bei der Kalkulation von Preisen für Leistungseinheiten. Kalkulationswirksam sind nicht nur Prozessanforderungen, sondern auch KPIAnforderungen, Haftungsanforderungen und Bonus-Malus-Regeln, diese fehlen oftmals in Ausschreibungsunterlagen und werden erst in den Vertragsverhandlungen offen gelegt. Ein Modell zur kontinuierlichen Verbesserung und der Umgang mit Produktivitätsfortschritten (win-win) sollten in den Ausschreibungsunterlagen schon enthalten sein.

Die Ausschreibungsunterlagen sollten vor Vertragsschluss und nach LOI-Unterzeichnung in eine detaillierte Leistungsbeschreibung (Lasten- oder Pflichtenheft) überführt werden. Versicherungsdeckungen sind für verschiedene Störungsursachen zu regeln, es sind Notfallpläne auszuarbeiten und zentrale KPI´s zur Leistungskontrolle zu vereinbaren und mit einem Anreizsystem zu verbinden.

Ein LDL scheut prinzipiell Investitionen in kapitalintensive Anlagen. Bei Anlagen, die sogar kundenspezifisch sind und kaum anderweitig verwendet werden können, stellt sich die Frage nach der kalkulatorischen Abschreibungsdauer. Der wichtigste Anreiz für den Dienstleister ist hierbei die Vertragslaufzeit, die in einem fairen Verhältnis zu den Investitionen stehen sollte. Es kann auch über einen finanziellen Ausgleich bei vorzeitiger Kündigung für spezifische Anlageinvestitionen vereinbart werden oder eine Übernahme (Kauf zum Restwert).

Persönliche Kontaktezu seinen Kunden oder Lieferanten sind für den Auftraggeber oft von großer Bedeutung, wenn es um die Behebung alltäglicher Schwierigkeiten (z.B. Lieferprobleme) geht. Durch Outsourcing können diese Kontakte abbrechen. Eine genaue Rollenverteilung (z.B. für das Reklamationsmanagement) und spezielle Mitwirkungsregeln müssen daher vereinbart werden.

Nicht nur eine außerordentliche, auch eine ordentliche Kündigung (Nicht-Vertragsverlängerung) ist eine kritische Phase in der Lebensdauer einer Geschäftsbeziehung. Bereits der Vertrag muss das Ausstiegsszenario behandeln. So muss bspw. geklärt werden wie ein reibungsloser Übergang möglich ist und welche Mitwirkungs- (z.B. Bereitstellung von Auftragsstrukturdaten für die Ausschreibung) und Nachleistungspflichten bestehen. Es muss geregelt sein, wer ggf. welche Ressourcen zu welchen Konditionen übernimmt, inwieweit Besichtigungsrechte Dritter bestehen und ein Umzugskonzept sollte vom Grundsatz beschrieben sein (z.B. Parallelbetrieb während der Umzugsphase).

Arbeitet der Auftraggeber jahrelang mit demselben LDL zusammen kann es passieren, dass er mit der Zeit nicht mehr beurteilen kann, ob das betriebene Logistiksystems noch auf marktüblichen Kosten und den aktuellsten und für ihn passendsten Konzepten basiert oder ob Verbesserungspotenzialeunrealisiert bleiben. Eine periodische Ausschreibung vor anstehenden Vertragsverlängerungen im Sinne einer reinen Preis- und Marktsondierung kann hier Aufschluss bieten, hat aber das Risiko, dass im Logistikmarkt bekannt wird, dass eigentlich kein Anbieterwechsel vorgesehen ist und dann Ausschreibungen eines solchen Unternehmens nicht mehr (ernsthaft) bearbeitet werden. Besser ist es, von vornherein Regelungen zu treffen, wie z.B. externe Begutachtung oder gemeinsame Verbesserungsprojekte periodisch zu vereinbaren.

Je länger die Vertragslaufzeit, desto größer wird die Gefahr der Abhängigkeit vom LDL, weil mit der Zeit die eigene Logistikkompetenz verloren geht. Es wird zunehmen schwieriger, eine Outsourcing-Entscheidung rückgängig zu machen. Auch die zunehmen Komplexität der Outsourcing-Projekte erschwert die Substitution eines LDL. Folgende Einsicht sollte gelten: Ein Abhängigkeitsrisiko lässt sich niemals ausschalten. Umso wichtiger wird ein ungestörtes Verhältnis zwischen den Vertragsparteien. Hierzu sollten Eskalations und Schieds- bzw. Mediationsregeln vereinbart werden. Ggf. kann man versuchen, Know-How in begrenztem Umfang zu behalten. Die Daimler AG wickelt z.B. das CKD-Geschäft für bestimmte Top-Modelle noch selbst ab. Dies schützt vor komplettem Know-How-Verlust und stärkt die Verhandlungsposition bei Vertragsverlängerungen. Ggf. können Leistungen auf mehrere Dienstleister übertragen werden.

Nicht alle Aspekte können an dieser Stelle erläutert werden. Das Erfolgsrezept für die Kontraktlogistik lautet aber: Alle Phasen der Geschäftsbeziehung mit ihren Hauptrisikofaktoren frühzeitig durchdenken und Regeln hierfür entwickeln! Die Projektanbahnung braucht Zeit! Dann führen auch komplexe Logistikprojekte zum Erfolg.

 

Prof. Dr. Thomas Mühlencoert

Prof. Dr. Thomas Mühlencoert
Leiter Institut für Kontraktlogistik Professor für Logistik, IT und Organisation Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Remagen
Aufsichtsratsmandate in der Logistikwirtschaft