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LAGERflaeche.de Magazin Dez. 2014 - Thema: Mindestlohn in der Logistikbranche
von RA David-Christopher Sosna
Seitdem am 16.08.2014 das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns - Mindestlohngesetz (MiLoG) - in Kraft getreten ist und als Kernbereich die Einführung eines branchenübergreifenden Mindestlohns in Höhe von EUR 8,50 zum 01.01.2015 vorsieht, dominiert dieses Thema die Logistikbranche. Und dies aus gutem Grund. Denn zum einen ist gerade die Logistikbranche aufgrund ihrer internationalen Strukturen und der oft komplexen Vertragsketten von den Regelungen des MiLoG betroffen. Zum anderen lassen besonders wichtige Regelungen des MiLoG, etwa die Reichweite des Anwendungsbereiches oder die Durchgriffshaftung, für Unternehmen aus der Logistik noch viele Fragen offen. Die hierdurch entstehenden Rechtsunsicherheiten bei der Gesetzesanwendung stellen die Branche vor zahlreiche Probleme. Auch ein zwischenzeitlich geführtes Fachgespräch der zuständigen Bundesministerien hat nicht zu der erhofften Klärung der Situation beigetragen.
1. Anwendungsbereich des MiLoG im internationalen Kontext
Nahezu alle Logistikdienstleister bedienen sich bei der Ausführung von Transport- und Speditionsaufträgen nachbeauftragter Subunternehmer, oftmals auch solcher mit Sitz im Ausland. Für die Praxis stellt sich damit die Frage, inwieweit die Regelungen des MiLoG auch den Einsatz von Subunternehmern mit Sitz im Ausland erfassen. Das Mindestlohngesetz bestimmt hierzu in § 20 MiLoG, dass Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland verpflichtet sind, ihren „im Inland beschäftigten Arbeitnehmern“ den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von EUR 8,50 je Zeitstunde zu zahlen. Welche genauen Anforderungen aber an die „Inlandsbeschäftigung“ zu stellen sind, wird durch das Gesetz nicht beantwortet.
Führt zum Beispiel ein ausländischer Transportunternehmer im Auftrag eines in Deutschland niedergelassenen Logistikdienstleisters Beförderungsleistungen von Polen nach Deutschland aus, muss für die Vertragspartner geklärt sein, ob der Fahrer des ausländischen Subunternehmers für diese Tätigkeit den Mindestlohn beanspruchen kann. Noch komplizierter ist die Konstellationdann, wenn der ausländische Subunternehmer die Beförderung von Polen nach Belgien ausführt und hierbei die Bundesrepublik Deutschland nur im Transitverkehr durchquert, ohne in Deutschland Be- oder Entladestellen anzufahren. In beiden Fällen stellt sich für die Praxis die Frage, ob das Fahrpersonal des ausländischen Subunternehmers als „im Inland beschäftigt“ gilt. Ein im September 2014 geführtes Fachgespräch der Ministerien hat die Situation für die Unternehmen noch einmal verschärft: Dem Ministerium zufolge soll das Mindestlohngesetz ausnahmslos jede Tätigkeit in- und ausländischer Unternehmer auf deutschem Territorium erfassen, ohne dass es hierbei auf Art oder Ausmaß der Tätigkeit ankommt. Sollten Gerichte die Auffassung der Ministerien bestätigen, hätte dies für alle an der Transportwirtschaft beteiligten Unternehmen weitreichende Folgen. Denn dann wären sowohl die innerhalb Deutschlands ausgeführten Kabotage-Beförderungen ausländischer Transportunternehmen als auch reine Transitbeförderungen ohne Be- oder Entladung in Deutschland ausnahmslos vom Mindestlohngesetz erfasst. Ausländische Subunternehmer müssten ihrem angestellten Fahrpersonal folglich den innerdeutschen Streckenanteil in Höhe des Mindestlohns vergüten.
Da jedenfalls bei reinen Transitbeförderungen ein konkreter Bezug zu der deutschen Wirtschaft fehlt, darf der Sinngehalt dieser Regelungen wohl zu Recht hinterfragt werden. Zudem sehen sich Logistikdienstleister bei der Umsetzung dieser Regelungen Problemen ausgesetzt, da das Gesetz selbst keine weiteren Vorgaben enthält, wie die auf den innerdeutschen Streckenanteil entfallende Arbeitszeit erfasst und in den Stundenlohn umgerechnet werden soll.
Für auftraggebende Speditionen mit Sitz in Deutschland liegt die Brisanz auf der Hand. Als Auftraggeber haften diese Unternehmen nämlich auch dafür, dass ihre Subunternehmer den gesetzlichen Mindestlohn an ihre Mitarbeiter zahlen. Entsprechend § 13 MiLoG können ausländische Arbeitnehmer den auftraggebenden Spediteur mit Sitz in Deutschland vor den Arbeitsgerichten auf Nachzahlung des Mindestlohnes verklagen.
2. Haftungsrisiken: Verladerhaftung ungeklärt
Ein weiteres Praxisproblem zeigt sich im Bereich der zu Lasten des Auftraggebers von Werk- oder Dienstleistungen geregelten Durchgriffshaftung. Grundsätzlich gilt: Der Logistikdienstleister, der sich vertraglich zur Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen verpflichtet und diese Leistungen nicht selbst, sondern durch Subunternehmer erbringen lässt, haftet nach § 13 MiLoG für die Einhaltung des Mindestlohns in allen Betrieben der nachfolgenden Subunternehmer. Dieses Haftungsrisiko trifft naturgemäß jeden Spediteur, dessen gesetzlich definiertes Geschäftsfeld schließlich die Transportorganisation und insbesondere die Beauftragung geeigneter Subunternehmer ist. Arbeitnehmer der eingesetzten in- und ausländischen Subunternehmer können Ansprüche somit unmittelbar gegenüber dem auftraggebenden Spediteur geltend machen.
Unerwartet geraten nun auch Verlader - also Händler und Produzenten - in den Fokus der Durchgriffshaftung, was wiederum bei den Logistikunternehmern für ein leichtes Aufatmen sorgen könnte. Waren Verlader nach bisherigem Stand mangels „Generalunterneh-mereigenschaft“ von der Durchgriffshaftung in § 13 MiLoG ausgenommen, scheint eine Ausweitung der Haftung auch auf die verladende Wirtschaft möglich. Dies liegt einerseits daran, dass die Haftung in § 13 MiLoG dem Wortlaut nach schlicht jeden Auftraggeber von Werk- oder Dienstleistungen erfasst und anders als die Parallelvorschrift in § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nicht ausdrücklich auf den Generalunternehmer Bezug nimmt. Andererseits sind Verlader oftmals selbst aufgrund ihrer vertraglichen Beziehung mit dem Sendungsempfänger zur Lieferung „frei Haus“ verpflichtet, was die Transportleistung entsprechend mitumfasst. Da der Verlader in dieser Situation gegenüber dem Empfänger vertraglich zur Erbringung der Transportleistung verpflichtet ist, die Transportorganisation aber üblicherweise auf den Spediteur übertragen wird, erfüllt der Verlader sämtliche Merkmale eines Generalunternehmers. Eine Ausweitung der Durchgriffshaftung auf Verlader wäre insofern gerechtfertigt. Da das Gesetz in diesem Punkt wenig aussagekräftig ist, werden die Gerichte über die Reichweite der Haftung entscheiden müssen.
3. Was gilt als Arbeitszeit und sind unterschiedliche Lohnbestandteile anrechenbar?
Gesetzlich sind Arbeitgeber ab dem 01.01.2015 zur Zahlung eines Mindestlohns in Höhe von EUR 8,50 (brutto) je „Zeitstunde“ verpflichtet. Weder erklärt das Gesetz, wie sich die für eine Berechnung des Mindestlohns relevante Arbeitszeit berechnet. Noch ist rechtssicher geklärt, inwieweit unterschiedliche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind. Bei der Bestimmung der vergütungspflichtigen Arbeitszeiten wird aller Voraussicht nach auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zurückgegriffen werden. Ob die für den Güterkraftverkehr maßgebliche Sondervorschrift in § 21a Abs. 3 ArbZG Anwendung findet, bleibt vorerst ungeklärt. Auch hier sind die Gerichte gefragt.
Bei der Berechnung des Mindestlohns müssen Unternehmen außerdem prüfen, inwieweit verschiedene Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar sind. Unter Berücksichtigung der zum Arbeitnehmerentsendegesetz ergangenen Rechtsprechung kann als Faustformel vermerkt werden, dass dem Arbeitslohn funktional gleichwertige Zahlungen (Bsp.: 13tes Monatsgehalt) auf den Mindestlohn anrechenbar sind, wohingegen sonstige Zahlungen, die ein sog. „Mehr an Arbeit“ vergüten sollen, zusätzlich zum Arbeitslohn zu zahlen sind (Bsp.: Überstundenvergütung). Die Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen ist insofern relevant, weil Unternehmen unter Umständen Gefahr laufen, den Lohn falsch zu berechnen und einen unter dem Mindestlohn liegenden Lohn an Arbeitnehmer zu zahlen.
4. Melde- und Aufzeichnungspflichten werden durch Rechtsverordnungen geändert
Bewegung ist derzeit im Bereich der neu eingeführten Zollmelde- und Aufzeichnungspflichten. Die Vorschriften in §§ 16, 17 MiLoG begründen für Logistikdienstleister die Pflicht, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer aufzuzeichnen und für die Dauer von 2 Jahren aufzubewahren. Arbeitgeber mit Sitz im Ausland sind zusätzlich verpflichtet, die in Deutschland durchzuführenden Beförderungsleistungen vorab schriftlich bei der zuständigen Zollbehörde vorzulegen. Das zuständige Bundesministerium hat aktuell die Mindestlohnmeldeverordnung (MiLoMeldV) und die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) als Entwurf vorgelegt. Ziel dieser Rechtsverordnungen ist eine Vereinfachung der gesetzlichen Vorschriften zur Regelung der Melde- und Aufzeichnungspflichten.
5. Risikovermeidung
Angesichts der erheblichen Haftungsrisiken, die das neue Mindestlohngesetz mit sich bringt, sind Logistikunternehmen jetzt gehalten, durch geeignete Maßnahmen - etwa bei der vertraglichen Gestaltung von Subunternehmerverträgen - das Haftungspotenzial möglichst auszuschließen oder einzuschränken.
Von
RA David-Christopher Sosna
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht
Kanzlei ESSER & SCHWERDLING
Am Alfredusbad 2,
D-45133 Essen
kanzlei@esser-schwerdling.de
Tel.: +49 201/18 53 50
Die nachfolgend abgedruckte Checkliste soll einen Überblick geben, welche Maßnahmen Logistikunternehmen jetzt ergreifen sollten:
CHECKLISTE:
- Sorgfältige Subunternehmerauswahl
- Plausibilitätsprüfung bei Einholung von Angeboten
- Auskunft einer Wirtschaftsdatenbank einholen
- Versicherungsschutz anpassen
- Kombinierte Freistellungsvereinbarung mit Subunternehmer abschließen:
(Zusicherung Einhaltung MiLoG + Freistellung von Ansprüchen Dritter) - Stellung einer verwertbaren Sicherheit durch den Subunternehmer
- Einräumung vertraglicher Prüf- und Kontrollrechte für den Auftraggeber
- Auskunft aus dem Gewerbezentralregister einholen
- Einräumung eines Sonderkündigungsrechts des Auftraggebers
- Vereinbarung einer Vertragsstrafenregelung