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Statement Christoph Hahn-Woernle
Statement Christoph
Hahn-Woernle
Statement Christoph Hahn-Woernle
Geschäftsführender Gesellschafter der viastore systems GmbH
Sprecher des Forum Intralogistik
Vorstandsmitglied des VDMA-Fachverbandes Fördertechnik und Logistiksysteme
Vorstandsmitglied der Forschungsgemeinschaft Intralogistik/Fördertechnik und
Logistiksysteme
Vorsitzender der Fachabteilung Lagertechnik des Fachverbandes Fördertechnik und
Logistiksysteme
8. Pressekonferenz des
Forum Intralogistik am 24. Februar 2010 in Frankfurt/Main
2009:
- Umsatz geht um 21 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro zurück
Prognose 2010:
- Umsatz-Rückgang um 17 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro
- Nachwuchsförderung, Forschung und Innovation weiter im Fokus
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
das Jahr 2009 war gewiss kein einfaches Jahr für die deutsche Wirtschaft und
damit auch nicht für unsere Branche. Die weltweite Wirtschaftskrise hat auf die
Intralogistik voll durchgeschlagen.
Nach den uns bislang vorliegenden Zahlen gehen wir davon aus, dass die deutsche
Intralogistik 2009 einen Umsatz von 17,1 Milliarden Euro erzielt hat. Im
Rekordjahr 2008 waren es 21,7 Milliarden Euro, also 4,6 Milliarden Euro mehr.
Der Umsatz der deutschen Intralogistik ist damit 2009 gegenüber dem Vorjahr um
21 Prozent zurückgegangen.
Auch für das laufende Jahr müssen wir einen erneuten drastischen Rückgang um
weitere 17 Prozent prognostizieren. In dieser Zahl stecken einige Hoffnung und einige
Unbekannte. Denn wenn wir die Auftragseingangszahlen des Vorjahres heranziehen,
die immer ein recht zuverlässiger Indikator für den Umsatz des Folgejahres
sind, dann könnte die Prognose auch deutlich schlechter ausfallen. Wir
beobachten jedoch seit der zweiten Jahreshälfte 2009 den vorsichtigen Trend,
dass der Auftragseingang gegenüber den verheerenden Vormonaten wieder
geringfügig ansteigt. Allerdings geschieht das Ganze auf einem sehr niedrigen
Niveau – und zu sehr schwierigen Markt-Konditionen.
In absoluten Zahlen ausgedrückt wird die Intralogistik 2010 nach heutiger
Einschätzung einen Umsatz von 14,2 Milliarden Euro erreichen.
Bis 2005 können wir in Auftragseingang und Umsatz normale Zyklen ausmachen.
Betrachtet man den Verlauf im Durchschnitt über die Jahre hinweg, dann erkennt
man, dass unsere Branche kontinuierlich gewachsen ist. Von Januar 2005 bis Juni
2007 steigt der Auftragseingang mit einem Zuwachs von insgesamt mehr als 50
Prozent sehr sprunghaft. Man kann von einer Überhitzung sprechen. Danach ist
der Auftragseingang um ebenfalls mehr als 50 Prozent in zwei Jahren
weggebrochen.
Der Umsatz folgte diesem Trend. Allerdings nicht in solch heftigen Ausschlägen
nach oben und unten, sondern über einen längeren Zeitraum verteilt. Es ist ebenfalls
zu erkennen, dass wir den Umsatz-Tiefpunkt noch nicht erreicht haben. Daher
auch die Prognose von minus 17 Prozent für 2010.
Beim Auftragseingang zeigt der Trend vorsichtig nach oben. Jetzt stellt sich
nur die Frage: Wie schnell folgt diesem Auftragseingang der Umsatz? Je
schneller der Umsatz dem Auftragseingang folgt, desto geringer fällt der
Rückgang in diesem Jahr aus. Folgt der Umsatz dem Auftragseingang langsamer,
dann wird das Jahr 2010 für die deutsche Intralogistik schlechter ausfallen als
die prognostizierten 17 Prozent.
Dieser Rückgang betrifft nicht nur den deutschen Markt, sondern fast alle
relevanten internationalen Märkte. Auch bei den 10 größten Abnehmerländern für
deutsche Intralogistik-Produkte sowie in den Zukunftsmärkten Indien und
Brasilien gab es dramatische Einbrüche, die mit einem Schnitt von minus 27
Prozent sogar noch um 6 Prozentpunkte größer ausgefallen sind als der
Gesamtdurchschnitt.
USA ist nach wie vor größter Abnehmer deutscher Intralogistik-Produkte, gefolgt
von Frankreich. Bei beiden Abnehmerländern ist der Umsatz deutlich um 22 bzw.
um 27 Prozent zurückgegangen.
Bemerkenswert ist: China ist von Platz 8 der Abnehmerländer auf Platz 3 im
vergangenen Jahr aufgerückt – mit nur unwesentlichem Abstand hinter Frankreich.
China ist unter den Top 10 zudem das einzige Land, das einen Zuwachs bei seinen
Intralogistikimporten aus Deutschland verzeichnen kann. Die Volksrepublik hat
hier um knapp 5 Prozent zugelegt.
Bemerkenswert ist auch: Russland, das 2008 noch viertgrößter Kunde von
deutschen Intralogistikprodukten war, ist um 50 Prozent eingebrochen und liegt
2009 auf Platz 9. In vergleichbarer Höhe ist der Exportmarkt Spanien für die
deutschen Anbieter eingebrochen: Die Spanier haben 2009 in Deutschland Systeme,
Produkte und Dienstleistungen im Wert von 354 Millionen Euro gekauft, im Jahr
zuvor waren das noch 678 Euro. Spanien ist damit von Platz 6 auf Platz 10
abgesackt.
Die Exportquote der deutschen Anbieter liegt nach wie vor bei etwas mehr als 50
Prozent. Blickt man auf die Regionen, in die deutsche Unternehmen ihre
Intralogistik-Erzeugnisse exportieren, kann man erkennen, wo sich die weltweite
Krise am deutlichsten auf die Intralogistik auswirkt. Die EU ist nach wie vor
größter Abnehmer. Dieser Markt ist jedoch um ein Drittel geschrumpft. In der
gleichen Größenordnung sind die Umsätze deutscher Anbieter im übrigen Europa
eingebrochen. In den vergangenen Jahren recht konstant geblieben ist der Markt
im Nahen und Mittleren Osten.
Die Krise hat am stärksten auf dem europäischen Kontinent zugeschlagen, am
zweitstärksten auf dem amerikanischen. Je weiter wir nach Osten blicken, desto
stabiler erweisen sich die Abnehmermärkte.
Bislang haben wir uns auf Deutschland als Intralogistik-Anbieter fokussiert.
Blicken wir nun auf den Weltmarkt der Anbieternationen. Allerdings haben wir
hier nur die Zahlen bis 2008, weil die Statistikbehörden in manchen Ländern nur
den gesamten Jahresverlauf werten und nicht die Monate betrachten. Doch die
vorliegenden Zahlen ermöglichen es uns, einen Trend abzuleiten. Die Bedeutung
der USA als Intralogistik-Anbietermarkt nimmt dabei kontinuierlich ab. 2006
waren die Vereinigten Staaten noch die größten Anbieter, 2008, in einem Jahr,
in dem die Umsätze überall noch stabil waren, sind sie auf den dritten Rang
abgerutscht – hinter Deutschland, das nun auf Platz zwei aufgerückt ist.
Die dramatischen Entwicklungen in Auftragseingang und Umsatz haben auch
Auswirkungen auf die Beschäftigung der deutschen Intralogistik-Anbieter. Nach
einem Mitarbeiterzuwachs von rund 20 Prozent in drei Jahren ist die
Mitarbeiterzahl 2009 mit 103.400 noch konstant geblieben.
Eine Tatsache kann man aus dieser Zahl jedoch nicht ableiten: Den massiven
Abbau von Leih- und Zeitarbeitskräften, der sich quer durch die Branche und
quer durch alle Bereiche zieht. Denn nicht nur in Fertigung und Montage werden
in unserer Branche Partnerfirmen beschäftigt, sondern auch in Konstruktion und
Entwicklung oder in der Software. Hier wurde radikal gestrichen. Was diese Zahl
ebenfalls nicht ausdrückt ist der enorme Anteil an Kurzarbeit. Mit diesen
beiden Maßnahmen wurde 2009 der hohe Umsatzeinbruch abgefedert.
Prognosen für 2010 sehen
damit nicht gut aus. Auch wenn wir in diesem Jahr die Talsohle erreichen und
möglicherweise auch durchschreiten bedeutet das nicht, dass wir uns dann
automatisch wieder auf dem Stand des Spitzenjahres 2008 befinden, sondern auf
dem Stand von 2005.
Wie der Anstieg nach der Krise verlaufen wird, ist völlig offen. In den
vergangenen Jahren ist die Weltwirtschaft immer schneller immer vernetzter
geworden. Deshalb war die Weltwirtschaft auch noch nie so übergreifend von
einer Krise getroffen worden. Weil die Lieferstränge durch diese Vernetzung so
kurz geworden sind, gibt es nur noch geringe Puffer zwischen Produzent und
Abnehmer und damit keine dämpfende Wirkung mehr. Es bleibt abzuwarten, wie sich
die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren bewegen wird. Eines ist jedoch nach
einhelliger Expertenmeinung sicher: Wir werden frühestens 2013 wieder auf dem
Niveau von 2008 sein.
2009 werden einige Unternehmen noch gute Bilanzen schreiben können, weil hier
alte und gute Aufträge zu Umsatz geworden sind. 2009 war aber nicht nur ein
Jahr der fehlenden Aufträge, sondern auch ein Jahr der schlechten Preise. Das
wird in diesem Jahr nicht anders sein. 2010 und 2011 werden deshalb für unsere
Branche die härtesten Jahre. Wer als Unternehmer die richtigen Maßnahmen
ergriffen hat, wird durch diese Situation kommen. Und wem es gelingt, über
diese Zeit seine Liquidität zu retten, der wird für den Aufschwung gerüstet
sein. Wem allerdings die Krise die Liquidität aufgefressen hat, ist auf die
Banken angewiesen. Doch die Banken bleiben auf dem Geld sitzen, das ihnen der
Staat zur Verfügung gestellt hat, um dem Mittelstand unter die Arme zu greifen
und Investitionen zu fördern. Das größte Problem dabei ist, dass wir in einem
Automatismus gefangen sind. Und dieser Automatismus heißt Basel II. Hier wurden
die Banker durch Rechenprogramme ersetzt. Das fördert keine Investitionen, das
verhindert sie. Schlechte Aussichten und schwächere Geschäfte heißt
schlechteres Rating. Die Folge: Die Banken sind gezwungen, die Kredite durch
mehr Eigenkapital zu hinterlegen. Und das bewertet die Börse wiederum negativ.
Ein Teufelskreis, den wir selbst geschaffen haben.
Die Produktivitätssteigerung und damit eine Personalreduzierung wird für viele
Unternehmen unserer Branche überlebenswichtig sein. Fremdarbeit ist abgebaut
und Kurzarbeit ist für diesen langen Zeitrahmen keine Lösung; sie bedeutet eine
schlechte Produktivität. Es ist also zu befürchten, dass es an die
Kernmannschaft geht. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Jahr die
Beschäftigtenzahl in der Intralogistik deutlich unter die Marke von 100.000
rutschen wird. Das wird sich so schnell auch nicht ändern, selbst wenn der
Umsatz wieder anziehen wird. Denn wenn die Effekte zur Produktivitätssteigerung
gegriffen haben, werden die Kurven der Umsatz- und der Mitarbeiterzahlen nicht
mehr parallel verlaufen, sondern entkoppelt sein.
Die Zahlen belegen eines: Lager- und Transportkapazitäten sind in Deutschland
und Mitteleuropa in hohem Maße vorhanden. Es zeigt sich, dass dieser Markt
einer Sättigung entgegen strebt. Hier geht es jetzt stärker um eine
Verbesserung der Systeme und damit um Rationalisierung und Optimierung.
Rationalisierung heißt auch Automatisierung. Optimierung heißt Effizienz und
Nachhaltigkeit in allen Facetten. Die Intralogistik steht damit vor einem
Paradigmenwechsel. Gefordert ist nicht mehr schneller, höher, weiter, sondern
ökologische und ökonomische Effizienz.
Zudem wandeln sich die Märkte. Der Exportanteil der deutschen
Intralogistikunternehmen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich
gestiegen. Dieser Anstieg ist von einigen wenigen größeren Unternehmen
getrieben. Auch kleinere und mittlere Unternehmen müssen jetzt den
internationalen Märkten folgen. Langfristig ist das nicht mehr nur mit Export
möglich, sondern mit einer eigenen Wertschöpfung vor Ort. Es wird Engineering,
Fertigung und Programmierung nah an den Abnehmermärkten erforderlich sein nach
dem Prinzip „in der Region – für die Region". Einige wenige
Marktteilnehmer machen das heute schon erfolgreich vor.
Trotz Internationalisierung: Die Innovation muss weiterhin in Deutschland
stattfinden, und dazu brauchen wir hier exzellente Köpfe, um unseren
Wettbewerbsvorsprung zu halten und auszubauen. Denn das Exportgeschäft in
unserer Branche wird sich immer mehr zum Export von Ideen und Innovationen für
die einzelnen Märkte wandeln. Die Ingenieursleistung wird damit noch viel mehr
unser Kapital und unser Rohstoff der Zukunft sein. Unsere Branche verfügt über
hervorragende Ausbildungsstätten und über sehr gut qualifizierte Mitarbeiter.
Doch wenn die Wertschöpfung immer regionaler wird, brauchen wir in absehbarer
Zeit einen deutlich höheren Anteil an Hochschulabgängern. Es gilt deshalb, mehr
Schüler an ein technisches Studium heranzuführen. Hierzu laufen verschiedene
Aktivitäten, auch im Zusammenhang mit der CeMAT im kommenden Jahr. Es gilt aber
auch, dass insgesamt mehr Schüler an ein Studium herangeführt werden. Das
Bildungsniveau muss in Deutschland auf breiter Ebene höher werden. Rückläufige
Beschäftigungszahlen erfordern hier eine wesentlich höhere Qualität in der
Ausbildung.
Ob der Staat hier auf dem richtigen Weg ist, ist fraglich. Er reduziert lieber
die Mehrwertsteuersätze für Hotelübernachtungen, anstatt in Forschung und
Bildung zu investieren. Wie das besser funktioniert, machen uns andere Länder
in Europa vor. In Finnland beispielsweise studieren in der Relation zur Bevölkerung
etwa doppelt so viele Menschen wie in Deutschland. Nach einer Untersuchung der
europäischen Union verfügt Finnland in Europa über eine überdurchschnittliche
Innovationsleistung. Deutschland ist hier Durchschnitt. Und Durchschnitt ist
nicht zukunftsfähig.
Unsere Branche ergreift die Initiative und intensiviert die Grundlagenforschung
und die Investitionen in den Nachwuchs – trotz der momentan schlechten Lage.
Denn nur das sichert unsere internationale Zukunft. Die derzeitige
wirtschaftliche Lage zeigt, dass andere Rahmenbedingungen ein anderes Denken
erfordern. Neue Ideen, neue Entwicklungen, neue Ansätze sind gefragt. Wer jetzt
weitermacht, als gäbe es keine Krise, und versucht, die Situation auszusitzen,
hat verloren. Das ist einer der Gründe, weshalb wir eine Zukunftsstudie in
Auftrag gegeben haben, über die Herr Albrecht gleich berichten wird. Wir
stellen uns damit den Herausforderungen der Zukunft. Und diese heißen
Globalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit.
Um auf die nächste Krise vorbereitet zu sein, muss in Zeiten wie diesen die
Rationalisierung noch stärker forciert werden als sonst. Ein wesentliches
Potenzial dazu steckt in der Intralogistik. Für viele Unternehmen ist es jetzt
an der Zeit, dieses Potenzial auszuschöpfen.